Entgelt für Depotübertragung | Unwirksamkeit | Rückerstattungsanspruch
Mit Urteil vom 30. 11. 2004 (XI ZR 200/03) entschied der Bundesgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Gebühren durch die depotführende Bank für Übertragungen des Depots.
von Christian Fiehl, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Mayer | Rechtsanwälte, Kaiserstraße 38 in 90763 Fürth.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs führte zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. Mai 2003 unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Oktober 2002.
Folgende Klausel der AGB der beklagten Bank war von der Entscheidung betroffen:
Die in Nürnberg ansässige Bank verwendete im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden, denen sie ausschließlich das Discount-Brokerage anbietet, ein Preis- und Leistungsverzeichnis, das für einen Wertpapierübertrag im Rahmen einer Depotschließung kein Entgelt vorsieht, aber unter anderem folgende Klausel enthält:
"Wertpapierübertrag im Rahmen der laufenden Geschäftsverbindung, Ausgang, pro Posten, 8,00 € bei Girosammelverwahrung, 19,50 € bei Wertpapierrechnung, 59,50 € bei effektiver Übertragung/Auslieferung zzgl. Versandkosten, jeweils inkl. MwSt."
AGB-Kontrolle | Depot | Effekten | Aktien | Depotführung | Entgelt | Onlinebroker
Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, der an die Stelle des früheren § 8 AGBG getreten ist, sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, kontrollfähig. Darunter fallen zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Hingegen stellen Regelungen, die kein Entgelt für Sonderleistungen, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht werden, zum Gegenstand haben, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders auf den Kunden abwälzen, eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften dar (Senat BGHZ 137, 27, 30; 141, 380, 383; jeweils m. w. Nachw.). Um eine solche Abrede handelt es sich bei der streitigen Klausel.
Der in der Klausel geregelte Wertpapierübertrag ist die Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs des Kunden gegen die beklagte Bank.
Wertpapierübertrag | Sonderleistung | Girosammelverwahrung | Wertpapierrechnung
Dies gilt für alle in der Klausel aufgeführten Fälle, also nicht nur für die effektive Übertragung bzw. Auslieferung, sondern auch bei Girosammelverwahrung und Wertpapierrechnung. Der Herausgabeanspruch gemäß §§ 7, 8 DepotG bzw. § 695 Satz 1, § 985 BGB wird nach den im heutigen Massengeschäft geltenden Börsenusancen in der Regel ohne effektive Übertragung, d. h. ohne körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden, im Effektengiroverkehr erfüllt.
Der Herausgabeanspruch des Kunden wird nicht erst mit der Beendigung des Depotvertrages fällig, bei der der Wertpapierübertrag nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten kostenlos ist, sondern kann bereits während der laufenden Geschäftsverbindung geltend gemacht werden.
Ein Entgelt für ihren personellen und sachlichen Aufwand bei der Erfüllung des Herausgabeanspruchs kann die Beklagte nach dispositivem Gesetzesrecht nicht beanspruchen.
Herausgabeanspruch | Rückerstattungsanspruch | ungerechtfertigte Bereicherung
Rechtsfehlerhaft war die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klausel halte der Inhaltskontrolle stand. Die Berechnung eines Entgelts für die Herausgabe verwahrter Wertpapiere ist nämlich mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Dementsprechend haben Depotinhaber, deren Bank eine entsprechende Klausel in Ihren AGB führen und denen das Entgelt abgerechnet wurde, einen Erstattungsanspruch gegen das Geldinstitut.
Christian Fiehl, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Mayer | Rechtsanwälte, Kaiserstraße 38 in 90763 Fürth.