Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Christian Fiehl, LL.M.
Wircard AG: Pflichtverstöße und Schaden mit Ansage
Die Querelen um die Abschlussberichte des Hoffnungsträgers Wirecard kulminieren in der Gewissheit, dass es die 1,9 Milliarden Euro welche bei den Wirtschaftsprüfern für Stirnrunzeln sorgten nicht gibt und auch nie gegeben hat. Geschäftsberichte der letzten Jahre sind mit einem Fragezeichen zu versehen.
Die Frage der Schädigung von Kapitalanlegern –ob Kleinanleger oder Investor – findet jedoch bereits jetzt eine Antwort: Der Schaden ist eingetreten, Vertrauen ist verspielt, der Aktienkurs im Keller und Sparvermögen unzähliger Aktionäre vernichtet.
Seit Jahren sah sich Wirecard mit Vorwürfen mangelnder Transparenz konfrontiert, die sich jetzt bestätigt haben. Der Aktienkurs stürzte auf zeitweise unter 10,00 Euro am 22.06.2020.
Die Vorwürfe um Kreislaufzahlungen und Unregelmäßigkeiten in Milliardenumfang konnten auch mit der von der Wirecard beauftragten Sonderprüfung durch KPMG nicht ausgeräumt werden. Ausgangspunkt der Untersuchung von KPMG war die angebliche Erhöhung des Umsatzes durch fiktive Kundenbeziehungen, insbesondere im Dritt-Acquiring mit einem Third Party Acquiring-Partner, Veröffentlichungen im Internet und Vorwürfe zu Buchhaltungsthemen in Singapur.
KPMG: Sonderprüfung
Bereits nach Veröffentlichung eines durch KPMG gefertigten Gutachtens brach die Wirecard Aktie um ca. 40 % ein. Den Prüfern wurden Unterlagen verspätet oder gar nicht vorgelegt. Es wurden keine Saldenbestätigungen für Bankguthaben der so genannten „Escrow Accounts“ vorgelegt.
Statt 1,9 Milliarden eine große Null und die Kündigung von Krediten.
1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten als Sicherheit für Kunden hinterlegt, sind nicht vorhanden. Ein Testat für den Jahresabschluss 2019 wurde von der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY) nicht mehr erteilt. Wirecard hat Strafantrag gegen Unbekannt gestellt und sieht sich als Opfer gigantischen Ausmaßes. Wirecard droht nach eigenen Angaben die Kündigung von Krediten in Höhe von 2 Milliarden Euro. Der CEO Markus Braun trat zurück und wurde durch James Freis als Interim-CEO ersetzt.
Die Bafin ermittelt
Die BaFin ermittelt gegen Wirecard wegen fehlerhafter adhoc-Mitteilungen im Hinblick auf den KPMG-Prüfbericht. Fraglich ist aber ob Wirecard im Falle einer Insolvenz als Anspruchsgegner wirtschaftlich sinnvoll ist. In Betracht kommen Ansprüche gegen EY, welche die letzten Testate uneingeschränkt erteilt haben.
Nach Prüfung der Rechtslage kommen wir zu der Auffassung, dass die Testate nicht ohne Verstoß gegen die Prüfpflichten eines Wirtschaftsprüfers wohl nicht erteilt werden konnten.
Schadensersatzansprüche
Ernst & Young ist nach vorläufiger Einschätzung der wirtschaftlich "bessere" Anspruchsgegner für geschädigte Anleger ist. Die Zukunft von Wirecard wird möglicherweise ein Insolvenzverfahren sein.
Anspruchsgrundlage
Bei der Auftraggeberhaftung nach § 323 Abs. 1 HGB, die
voraussetzt, ist zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Bei Ersterem haftet der Wirtschaftsprüfer gegenüber seinem Auftraggeber uneingeschränkt.
Für eine Dritthaftung kommen zum einen deliktische und zum anderen vertragliche Anspruchsgrundlagen in Frage.
Das Vertragsrecht des BGB kennt keinen Drittschutz. Allerdings gibt es mit Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter und dem stillschweigenden Auskunftsvertrag zwei vertragsähnliche Anspruchsgrundlagen.
Erlangt ein Wirtschaftsprüfer Kenntnis davon, dass der zu prüfende Jahresabschluss u. a. für Kreditverhandlungen mit einer Bank benötigt wird, führt dies nicht zur Einbeziehung der Bank in den Schutzbereich des Abschlussprüfungsvertrages BGH, Urteil vom 14. 6. 2012 – IX ZR 145/11.
Schadenshöhe
Ob die Wertpapiere bereits wieder veräußert wurden oder ob sie sich noch in Ihrem Depot befinden ist für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs kein Hindernis.
Als Ansprechpartner steht Ihnen für eine erste Beratung Rechtsanwalt und Fachanwalt Christian Fiehl, LL.M. zur Verfügung.